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Workcamp 2014 in Preili

Friedhofscamp Preili (2) 30.07.-10.08.2014

30.07. Mittwoch
Anreisetag mit Aufregung. In Riga kommen nur 25% der Koffer an. Lost-and-found ist
völlig überfordert. Es gibt noch nicht mal genug Notfallsets. Wann die Koffer geliefert
werden, ist unklar, wahrscheinlich erst am nächsten Vormittag. Leider sind es über 30
Grad und schwüle Wärme. So müssen erst einmal Zahnbürsten, Deo usw. gekauft
werden.
Leider ist kein WLAN in der Schule wegen der Renovierung.

31.07. Donnerstag
Die Koffer sind nicht da. Erst auf Nachfragen bemühen sich Leute in Riga mit
widersprüchlichen Informationen zu versorgen. Ohne Arbeitskleidung ist keine Arbeit
möglich. Ein Rundgang über den Friedhof ergibt, was gemacht werden könnte. Die
Stadtverwaltung von Preili ist komplett da. Leider fehlt der Architekt Rizs, der dann nach
Anrufen zusagt am nächsten Tag zu kommen. So wie es aussieht ist an den Wegen nichts
mehr zu machen, aber er muss noch ausgelichtet werden. Geschätzte 30-40 Grabsteine
müssen im zweiten Teil aufgerichtet werden.
Eine Fahrt nach Livani ergibt, dass der Friedhof weiter heruntergekommen ist seit letztem
Jahr. Wir werden mit einem kleinen Team dort die Zahlen auf den Grabsteinen anbringen
und den Bürgermeister aufsuchen und ihn bitten als Sofortmassnahme mit dem Cutter
über den Friedhof zu gehen und zweitens eine jährliche Minimalpflege sicherzustellen. Der
Nachbar, der auf dem Friedhofsgrund gebaut hat, hat jetzt an der Südseite seines
Grundstücks eine hohe Betonmauer errichtet, die zum Teil 1,50 m höher ist als das
Friedhofsniveau.
Die Stadtverwaltung stellt ab Mittag WLAN zur Verfügung, was die Koffersuche etwas
einfacher macht.
Um 16:00 Uhr wird uns mitgeteilt, dass um 19:00 Koffer geliefert werden, ob es wirklich
alle sind, ist nach den vorhergehenden Informationen zweifelhaft. Leider kamen dann nur
11 Koffer, einer fehlt immer noch.

01.08. Freitag
Heute werden ca. 20 Steine aufgerichtet, drei werden unter der Erde gefunden. Einige
lagen leider so, dass wir die neuen Wege aufgraben mussten. Merkwürdig, dass man die
bei der Anlage des Weges nicht gefunden hat.
Einige Steine sind leider so gross und unhandlich, dass wir sie nicht so hinstellen können,
wie wir es gerne möchten. Bei anderen ist es so, dass sie so nahe an Bäumen stehen,
dass wir sie etwas daneben aufstellen müssen, damit man die Schrift überhaupt lesen
kann.
Die meisten Schriften sind aufgesetzt (nicht eingeschlagen). D.h. Rasierschaum ist nicht
hilfreich. Besser als mit Kreide darüber reiben ist, feuchte Kreide wie Farbe aufzubringen.
Die Schrift ist makellos zu lesen.
Im neuen Teil gibt es einen Grabstein, auf dem der Text beginnt mit „Halleluja“.
Die Nummerierung mit Farbe ist nicht von oben bis unten durchgezogen, sondern bricht
am Weg ab. Hier muss noch nachgearbeitet werden.
Der Architekt kommt und es wird noch einmal durchgesprochen, wie es zum Entfernen des
Tores und des Zaunes gekommen ist. Er hat nur angegeben, dass das Niveau des
Friedhofs dem des Parkplatzes angepasst werden soll. Und die Arbeiter haben daraus
geschlossen, dass Zaun und Tor weg müssen. Sein allererster Plan, das Tor an der Ecke
anzubringen, ist weg. Es wird jetzt da sein, wo wir den Weg aufhören lassen. Das Tor wird
nur symbolisch sein und ist dem Tor des katholischen Friedhofs ähnlich. Ziemlich riesig (5
m hoch) – aber kleiner als das katholische Friedhofstor. Rund um das symbolische Tor wird
ein Rundweg angelegt. Die Hecke wird im Herbst oder im Frühjahr gepflanzt. Wo wir den
Weg aufgegraben haben, könnte er das nacharbeiten, wenn wir es nicht schaffen. Aber
wenn wir Kies für den Vorplatz des Memorials kriegen, dürfte das kein Problem sein.
Zwei lettische Mädchen nehmen heute teilweise teil.
Der letzte Lufthansakoffer kommt, der AirBerlin fehlt immer noch.

02.08. Samstag
Heute keine Lettinnen, dafür kommt Lasma.
Es werden etwa 15 Steine aufgerichtet, zum Teil wirkliche schwere Stücke. Der
zerbrochene Grabstein im neuen Teil wird zum Teil schon aufgesetzt und dann auch
repariert. Unter einem Stein findet sich ein Wespennest (sehr unangenehm, weil wir
gerade mitten im Aufrichten waren). Leider ist kein Sand geliefert worden, deshalb holen
wir Sand von der Baustelle an der Schule.
Der Platz vor dem Memorial ist fast unkrautfrei und wir könnten am Montag Kies
gebrauchen. Es dürfte fast alles ausgelichtet sein, was noch auszulichten war.
In der Zählung der Steine gibt es ein paar Unstimmigkeiten. Und es gibt ein paar Steine,
die ausserhalb der Reihen liegen (zwischen Reihe Q und R). Sie bekommen die
Bezeichnung Q‘ 1 bis 3.
Kein AirBerlinKoffer

03.08. Sonntag
arbeitsfrei am See, keine Nachricht vom AirBerlinKoffer.

04.08. Montag
Sehr heiss, morgens um 08:00 schon 20 Grad, mittags sind es 32 Grad. Wir brauchen
eine zusätzliche Pause.
Die zwei lettischen Mädchen von Freitag sind wieder da, bleiben aber wieder nur ca. zwei
Stunden.
Die farbliche Nummerierung der Steine kommt gut voran. Alle Steine im Feld vom letzten
Jahr sind noch einmal fotografiert. Das Aufstellen der Steine geht schnell weiter. Zwei
gebrochene Steine werden geflickt. Ein auffälliger Stein wird gefunden. Er biegt sich wie
eine Banane. An Beispielen wird erklärt, wie die Steine zu lesen sind.
Die Baufirma kommt und erklärt sich bereit, die Wege wieder zu flicken, weil Steine unter
dem Weg lagen. Ausserdem werden sie den Platz vor der Gedenkstätte mit Kies
versehen.
Wir bekommen 5 Stangen a 4,80 m für die Flaggen von einer Schreinerei gestiftet, weil sie
unser Projekt unterstützen wollen.
Es bleiben nach heutigem Stand ca. 12 Steine im neuen Feld und genauso viele im
vorderen Bereich. Das sollte zu schaffen sein.
Ein Team ist heute in Livani, um die Nummerierung der Steine durchzuführen. Das ist wohl
etwas schwierig, weil der Plan in einer gedachten Ebene über dem Friedhof liegt. D.h. die
Abstände auf der Karte entsprechen nicht den Abständen in der Wirklichkeit.
Nachmittags ein Zeckenbiss, keine Nachricht vom AirBerlinKoffer.

05.08. Dienstag
Wieder sehr heiss. Heute kommen ein Mädchen und zwei Jungen aus Preili.
Die Steine sind jetzt durchnummeriert. Da wir mit den Buchstaben für die Reihen nicht
auskommen, gibt es jetzt am Ende noch die Reihen 1 bis 7.
Im neuen Teil verbleiben zum Aufrichten noch 3-4 Steine. Bei den heute aufgerichteten
gibt es einen, der im unteren Teil russisch beschmiert ist. Ein Stein im Bereich der Mitte
der Reihe R sitzt so tief, dass wir ihn nicht rausbekommen. Da werden wir den Bereich
von dem Stein abflachen, damit man die Schrift lesen kann. Zu einem Stein vom letzten
Jahr gibt es ein schönes Erlebnis. Der Steine musste noch aufgerichtet werden. Und er
stand dann auch und das „Zementteam“ wurde geholt. Als dann aber drei Personen
gleichzeitig den Stein von der Vorderseite ansahen, konnte der Stein das offenbar nicht
aushalten und fiel einfach um.
Wir versuchen eine Vermessung, aber es stellt sich heraus, dass für unseren Zweck eine
Skizze mit der Lage der Steine ausreichend ist (die Gräber müssen nur gefunden werden).
Dazu wird jetzt eine Skizze gemacht und die Gräber mit den Nummerierungen werden
dann auf eine Kopie des Architektenplan übertragen.
Heute kommt eine Frau von der Lokalzeitung für ein Interview. Sie macht ein paar Bilder.
Das Team aus Livani berichtet, dass alle Steine nummeriert sind und dass es heute
einfach war, mit dem Plan zu arbeiten.
Es sieht so aus, dass wir alle Steine aufrichten können, einen Plan haben werden und alle
Steine fotografiert sind.
Wieder keine Nachricht vom AirBerlinKoffer.

06.08. Mittwoch
Wir besichtigen den Friedhof in Ventspils. Eine gepflegte Anlage, durchgängig gemähter
Rasen, rundherum ein Zaun, am Südrand der Stadt.
Geschätzte 70 Grabsteine kleine bis mittlere Grösse müssen aufgerichtet werden und
dazu 12-15 wirklich grosse (bis zu 1000kg). Dazu werden wir ein Team von etwa 18
Personen brauchen. An sonstigen Arbeiten fällt vielleicht an: aus der Eingangstür ein Tor
zu machen und einen einladenden Weg vom Tor auf den Friedhof.
In Preili werden derweil weitere zehn Stein aufgerichtet. Insbesondere im vorderen Teil
werden noch Steine gefunden. Einige Steine sitzen merkwürdig tief in der Erde, fast ein
Spaten breit ist die Schrift verdeckt.
Im Bereich Reihe X 10-15 und vorne rechts neben dem Hauptweg (keine Grabsteine)
werden Knochen gefunden, die im angrenzenden Grab beigesetzt werden.
Der Kies kommt leider nicht. Dafür wird ein Teil der Gartenabfälle abgeholt.

07.08. Donnerstag
Bis auf einen Stein werden alle übrigen Steine aufgerichtet. Der Lageplan ist fast fertig
und auch die Fotodokumentation wird fast fertig. Leider sind zwei Wespennester im
vorderen Teil auf dem Friedhof, die in dem Bereich eine Weiterarbeit schwer machen.
Leider erst gegen Ende unserer Arbeitszeit kommt eine grosse Gruppe Letten, die Wege
zu harken. Der Kies kommt auch heute nicht und das Problem ist auch nicht durch uns
lösbar (zu teuer). Das Aufstellen der Fahnenmasten geht einfacher als gedacht (werden
aber bis morgen wieder abgebaut). Wir finden ein Familiengrab, das mit Feldsteinen
umrandet ist (Vater und Sohn?). Somit bleibt für morgen nur Aufräumen und kleinere
Restarbeiten.
Die deutsche Botschaft hat eine kleine Delegation für die Feier morgen angemeldet.

08.08. Freitag
Der Tag beginnt mit Starkregen. Das wird knapp für das Aufräumen.
Die letzten beiden Steine werden aufgerichtet, bzw. gehoben. Die lettischen Schüler
gestern haben wirklich viel zusammengeharkt. Auch der städtische Bauhof kommt wieder
und Grünabfälle abzufahren. Die gestern zementierten Steine müssen noch angeschüttet
werden. Der Müll wird aufgelesen.
Zur Feier kommen 70-80 Personen. Auch der Kulturattache der Deutschen Botschaft, Herr
Klarmann, kommt. Er äussert nach der Feier, dass er gerne nächstes Jahr wiederkommen
möchte und dass wir vielleicht auch etwas mit der deutschen Botschaft machen könnten.
Von den anderen Botschaften erscheint niemand. Von der jüdischen Gemeinde Riga
kommt niemand. Gita ist in Israel.

09.08. Samstag
freier Tag, z.T. Ausflug nach Riga

10.08. Sonntag
Rückreise

Es wird heute oft gesagt,
die Religionen seien Komplizen der Gewalt,
die unsere Welt bedrückt.
Deshalb ginge es uns ohne ohne Religion sehr viel besser. Daran scheint mir
richtig,
dass sich viele Konflikte hinter Religionen verstecken.
Wir kommen aus verschiedenen Richtungen,
haben unterschiedliche Überzeugungen
und sind jetzt ein Stück des Weg miteinander gegangen.
Kein Grund gegeneinander Gewalt auszuüben.
So kann auf diesem Friedhof Hoffnung wachsen,
die das Hier und Jetzt übersteigt.
Wir waren jetzt zehn Tage miteinander unterwegs.
Wir sind nicht stehen geblieben bei dem,
was wir sind und was wir haben.
Wir haben versucht, alles zu tun,
damit Gerechtigkeit greifbar wird.
Und das nehmen wir mit aus Preili:
Es sind immer mutige Hände,
die Gerechtigkeit in die Tat umsetzen,
starke Hände, die überflüssige Grenzen einreißen können,
hilfreiche Hände, die anpacken, wo Not ist,
fleißige Hände, die sich nicht vor Aufgaben scheuen,
sichere Hände, die dem Strauchelnden Halt geben,
friedliche Hände, die sich nicht mehr zu Fäusten ballen,
schützende Hände, die sich der Verlassenen und Ängstlichen annehmen,
segnende Hände, die den Menschen Glück wünschen.
Aber auch leere Hände,
Hände, die wissen, wir schaffen nicht alles allein.
Hände, die bereit sind, sich Neuem zu öffnen.
Hände, die auch empfangen können.
Unsere Hände werden gebraucht,
ihre und meine Hände, um unsere Welt zu verändern.
Ich wünsche
unseren Sehnsüchten Flügel
unseren Zielen Vertrauen
und unserem Denken Gerechtigkeit.
Ich wünsche
unseren Befürchtungen Hoffnung
unserer Ungeduld Gelassenheit
und unserem Reden Gerechtigkeit.
Ich wünsche
unseren Händen Kraft
unserem Einsatz Segen
und unserem Handeln Gerechtigkeit.